Der Bau der gotischen Kathedrale hat Jahrhunderte in Anspruch genommen und das Stadtbild Kölns entscheidend geprägt. Die Geschichte des Domgeländes ist damit jedoch bei weitem nicht ausgeschöpft. Sie reicht deutlich weiter zurück, durch alle Epochen der Kölner Stadtgeschichte bis in die römische Zeit.
Daher wurden bereits 1946 archäologische Ausgrabungen im Inneren des Domes begonnen und über Jahrzehnte weitergeführt. In praktischer Folge dieser Arbeiten sind unterirdische Räume entstanden, die sich mittlerweile unter nahezu allen Bereichen des heutigen Kirchenbodens erstrecken und eine Fläche von rund 4000 Quadratmetern umfassen. Damit gehört die Kölner Domgrabung zu den umfangreichsten Kirchengrabungen Deutschlands.
Im Zuge dieser Untersuchungen wurden Grundrisse und innere Strukturen verschiedener älterer Gebäude freigelegt, unter denen nicht nur der historisch überlieferte Alte Kölner Dom, sondern noch eine weitere Vorgängerkirche besonders hervorzuheben sind. Gemeinsam mit zahlreichen Architekturresten und einer immensen Funddichte bezeugen sie die Entwicklung von einem gehobenen römischen Stadtquartier zum christlichen Zentrum Kölns und vermitteln zudem, mit Blick auf die gewaltigen Fundamente der gotischen Kathedrale, einen Eindruck von Aufwand und Ablauf ihrer Entstehung.
Werfen Sie hier einen Blick auf die verborgene Seite des Domes und seine Geschichte, deren Wurzeln rund 2000 Jahre zurückreichen.
Bereits in römischer Zeit lag das Gelände des heutigen Domes innerhalb des bebauten und von einer Befestigung umgebenen Stadtareals. Noch heute vermittelt die Richtung Norden abfallende Geländekante einen Eindruck der natürlichen Topographie, während zugleich die nördliche Langhauswand der Kirche den Verlauf der römischen Stadtmauer anzeigt, deren Überreste zudem unter dem Querhaus und der Sakristei erhalten sind.
Südlich, also innerhalb der Stadtmauer, wurden unter dem Dom vielfältige Spuren der Bebauung und Infrastruktur des römischen Köln freigelegt. Zwischen den von Kanalisation und Kolonaden begleiteten Straßenzügen weisen Heizanlagen, Wandmalereien und Mosaike auf prachtvolle Gebäude eines gehobenen Wohnviertels in der Nordost-Ecke der Stadt.
Aus diesem Viertel ist später die Bischofskirche hervorgegangen. Dies mag bereits in römischer Zeit geschehen sein, immerhin wird schon für das Jahr 313 ein Bischof für Köln überliefert, doch ist ein sakraler Charakter der aufgedeckten zeitgenössischen Architekturreste einstweilen nicht zu belegen.
Tatsächlich nachgewiesen ist eine kirchliche Nutzung auf dem Domgelände ab dem 6. Jahrhundert. Spätestens aus dieser Zeit stammt das Baptisterium, die Taufkirche, deren großes achtseitiges Becken schon 1866 östlich des Domchores entdeckt wurde und an seinem Originalstandort erhalten ist. Der zugehörige Kirchenbau kann unter dem Chor der heutigen Kathedrale lokalisiert werden.
Hier wurden mehrere fränkische Gräber gefunden, darunter die noch mit vollständigem und ausgesprochen reichem Inventar angetroffenen Bestattungen einer jungen Frau, offenbar Königin Wisigarde, sowie eines kleinen, namentlich nicht bekannten Jungen.
Neben der herausragenden, heute in der Schatzkammer präsentierten Ausstattung, ist die Lage der Gräber innerhalb der Stadtmauer bemerkenswert, da seit römischer Zeit Bestattungen hier verboten waren und einzig im Umfeld einer Kirche denkbar sind.
Spätestens mit dem Einbau einer zeittypischen schlüssellochförmigen Kanzelanlage wird diese Kirche auch baulich fassbar. Trotz späterer Umbauten, die eine fortdauernde Nutzung der Anlage bezeugen, bleibt der Altarstandort unverändert. Er hat sich nahezu deckungsgleich, rund 4 m unter dem heutigen Hochaltar befunden.
An der Wende vom 8. zum 9. Jahrhundert wird schließlich die bisherige Kirche zugunsten eines Neubaus niedergelegt. Unter Hildebold, dem ersten Kölner Erzbischof, persönlichem
Freund und Berater Karls des Großen, entsteht der sog. Alte Dom.
Charakterisiert durch zwei halbrunde Apsiden mit anschließenden Querbauten war diese imposante Kirche annähernd 100 m lang und verfügte zudem im Westen und später auch im
Osten über vorgelagerte Atrien. Die aufgedeckten Fundamente des Alten Domes machen die eindrucksvollen Dimensionen noch heute erlebbar. Darüber hinaus stimmen sie in allen
überprüfbaren Details mit einer Darstellung der Kölner Bischofskirche auf dem Widmungsbild des Hillinus-Codex, einer Buchmalerei des 11. Jahrhunderts, überein.
Besonders prägnant zeigt sich die imposante, von seitlichen Türmen begleitete Westapsis, die mit rund 12 Metern Durchmesser unter dem Fußboden des gotischen Domes gefunden wurde und dort nahezu die gesamte Breite des Mittelschiffs einnimmt. Spuren der Innengliederung und Überreste des in aufwändigem Muster gestalteten Fußbodens bezeugen die einst prachtvolle Ausstattung dieser bedeutenden Anlage.
Mit Ankunft der aus Mailand überführten Reliquien der Heiligen Drei Könige im Jahr 1164 setzen schließlich wachsende Pilgerströme nach Köln ein. Dies ermöglicht zunächst die Fertigung des Dreikönigenschreines, dessen Aufstellungsort in der Mitte des Alten Domes lokalisiert werden kann. Dort weisen die Standspuren einer Gitterumzäunung, die im Fußboden unmittelbar östlich einer zentralen Rosette gefunden wurden, auf die Notwendigkeit, die kostbaren Reliquien gegen die Pilgermassen abzugrenzen. Die angesichts steigender Besucherströme aufkommende Platznot gipfelt schließlich in dem Wunsch nach einem vollständigen Neubau.
Der Neubau der gotischen Kathedrale beginnt 1248. Er soll am Platz des Alten Domes erfolgen, zumal innerhalb der dicht bebauten Stadt kein alternatives Grundstück zur Verfügung steht. Um trotz der Baumaßnahme die Gottesdienste weiterführen zu können, bleibt der Westteil des Alten Domes in Benutzung, während der Ostteil niedergelegt wird. Hier entsteht in verhältnismäßig kurzer Zeit der gotische Chor. Nach seiner Weihe 1322 folgt der Abriss der verbleibenden Teile der Vorgängerkirche und die Baumaßnahmen am Dom werden abschnittweise fortgesetzt. Den Südseitenschiffen und den beiden unteren Geschossen des Südturmes folgen die Nordseitenschiffe und zumindest noch Fundamente des Nordturmes, bevor die Arbeiten Anfang des 16. Jahrhunderts zum Erliegen kommen. Erst 1842 wird der Dombau wiederaufgenommen und unter Beibehaltung der mittelalterlichen Planung bis 1880 zum Abschluss gebracht.
Gerade angesichts der bemerkenswerten Gesamtbauzeit von 632 Jahren besticht der Kölner Dom durch seinen einheitlichen Entwurf. Seine in der Ausgrabung freigelegten Fundamente hingegen machen den Ablauf des Baugeschehens anhand ihrer variierenden Größe und statischen Anpassung nachvollziehbar. Wohl aufgrund noch fehlender Erfahrungswerte und in Ermangelung gezielter Berechnungsmöglichkeiten sind die Fundamente anfangs sehr massiv ausgeführt worden. Dabei wird auch der lediglich aus Sand und Kies bestehende Kölner Untergrund eine Rolle gespielt haben. Während also die Pfeilerreihen der älteren Bauabschnitte auf mächtigen, teils zusammenhängenden Fundamentblöcken von bis zu 16 Metern Tiefe stehen, sind die späteren Gründungen deutlich filigraner und weitaus besser an die oberirdische Architektur angepasst.
Außerdem mussten im Laufe der Jahrhunderte immer wieder bereits existierende Bauteile gegen noch nicht vorhandene oder erst im Bau befindliche Raumabschnitte abgegrenzt werden. Natürlich sind die dafür errichteten provisorischen Wände längst wieder verschwunden, doch zeigen ihre im Boden verbliebenen Fundamente noch heute, wo sie gestanden haben. Ähnliches gilt auch für die Nahtstelle zwischen Altem Dom und gotischem Neubau. So konnte man in den Anfangsjahrzehnten des 14. Jahrhunderts über eine unscheinbare Treppe aus dem damals nur noch rudimentär erhaltenen Alten Dom in den gerade erst neu errichteten gotischen Chor hinaufgelangen, ein angesichts der architektonischen Unterschiede dieser beiden Kirchenbauten mit Sicherheit atemberaubender Übergang.
Als Angang des 16. Jh. der Dombau zum Erliegen kam, war mit den beiden unteren Geschossen des Südturmes erst ein kleiner Teil der berühmten Westfassade errichtet und auch das imposante Hauptportal existierte noch nicht. An seiner Stelle führte lediglich ein provisorischer Zugang in den unvollendeten Innenraum hinein. Abgerissen mit der Domvollendung 1880 steht dieses provisorische Westportal heute im Untergrund der Kathedrale. Dort ist es unweit seines originalen Standortes wiederaufgerichtet worden und dient als als Zugang in den archäologischen Bereich des Kölner Domes, zu dessen Besuch Sie herzlich eingeladen sind.
Dombauhütte Köln - Domgrabung
Ansprechpartnerin: Ruth Stinnesbeck M.A.
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Informationen zu Grabungsführungen
Fotos: Dombauhütte Köln, Mira Unkelbach, Jennifer Rumbach, Matz und Schenk; Frithjof
Spangenberg