Altar der Stadtpatrone
Der von dem Kölner Maler Stefan Lochner († 1451) für die Ratskapelle der Stadt Köln um 1442 gemalte Flügelaltar ist das bedeutendste Werk der spätgotischen Kölner Malerschule.
Hohe Domkirche Köln, Dombauhütte; Foto: Matz und Schenk

Schließt man den Altar, so wird die Verkündigung des Engels an Maria sichtbar. Obwohl auf zwei eigens gerahmte Tafeln verteilt, erscheint die Szene doch als in einem einheitlichen Raum spielend. Der durchgehende, reich gemusterte Goldvorhang, die perspektivisch verkürzte Decke und der ebenso verkürzte Steinfußboden schaffen einen einheitlichen, naturalistisch wirkenden Handlungsraum. Der Gruß des gerade durch die rechte Tür hereingetretenen Engels wirkt völlig wirklichkeitsnah und als spontane Handlung. Andererseits wird die Szene aber durch die zurückhaltende Farbigkeit der Figuren, die Zartheit Mariens und ihren goldenen Nimbus der Zeitlichkeit enthoben.
Dr. Rolf Lauer, Kunsthistoriker

Evangelium nach Lukas 1, 26-38

Die Verheißung der Geburt Jesu
Im sechsten Monat wurde der Engel Gabriel von Gott in eine Stadt in Galiläa namens Nazareth zu einer Jungfrau gesandt. Sie war mit einem Mann namens Josef verlobt, der aus dem Haus David stammte. Der Name der Jungfrau war Maria.Der Engel trat bei ihr ein und sagte: Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir.
Sie erschrak über die Anrede und überlegte, was dieser Gruß zu bedeuten habe.
Da sagte der Engel zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria; denn du hast bei Gott Gnade gefunden.
Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären: dem sollst du den Namen Jesus geben.
Er wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden. Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vaters David geben.
Er wird über das Haus Jakob in Ewigkeit herrschen, und seine Herrschaft wird kein Ende haben.
Maria sagte zu dem Engel: Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne?
Der Engel antwortete ihr: Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden.
Auch Elisabet, deine Verwandte, hat noch in ihrem Alter einen Sohn empfangen; obwohl sie als unfruchtbar galt, ist sie jetzt schon im sechsten Monat.
Denn für Gott ist nichts unmöglich.
Da sagte Maria: Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast. Danach verließ sie der Engel.

Bibel
Detailansichten
Hohe Domkirche Köln, Dombauhütte; Foto: Matz und Schenk
Kopf der Verkündigungsmaria

Durch verschiedene künstlerische Mittel hat Lochner die inhaltliche Aussage der Verkündigungsszene noch verstärkt. So erscheint der Kopf Mariens durch die lasierende, fast durchsichtig wirkende Malweise noch jungfräulicher, als dies schon durch die jugendliche Schönheit erreicht wurde. Die Perlen im Haar sind auf der einen Seite altes Symbol für Christus, hier also ein Hinweis auf das Ereignis der Geburt, andererseits erhöhen sie wieder durch ihre greifbare Präsenz die fast unwirkliche Erscheinung Mariens. Gleiches bewirkt der weiß-blau schimmernde Mantel und der leuchtende Goldnimbus.
Dr. Rolf Lauer, Kunsthistoriker

Hohe Domkirche Köln, Dombauhütte; Foto: Matz und Schenk
Kopf des Verkündigungsengels

Der Engel der Verkündigung, der Maria die Botschaft Gottes in Form eines gesiegelten Briefes überbringt, neigt sein Haupt als Zeichen der Demut leicht Maria zu. Die frei herabfallenden Haare weisen den himmlischen Boten als jungfräulich aus, ebenso wie auch Maria. Der Engel trägt einen Chormantel, der von einer prächtigen goldenen Schließe zusammengehalten wird. Die kräftige rote Farbe des Mantels und auch der, trotz der überaus fein lasierenden Malweise etwas dunklere Teint des Gesichtes lassen im Gegensatz dazu die Zartheit und fast durchsichtige Erscheinung Mariens noch stärker hervortreten.
Dr. Rolf Lauer, Kunsthistoriker

Taube des Heiligen Geistes

In der Verkündigungsszene schwebt über dem Kopf Mariens die Taube des Heiligen Geistes, die die Botschaft des Engels begleitet. Obwohl die Taube eine der göttlichen Personen der Dreifaltigkeit vertritt, ist sie nicht durch eine stilisierte Darstellung überhöht, sondern ganz naturalistisch als im Flug innehaltender Vogel wiedergegeben. Die Naturnähe verstärkt so den Wahrheitsgehalt des wunderbaren Geschehens, ein Kunstmittel, das von Stefan Lochner erstmals in die Kölner Malerei des 15. Jahrhunderts eingeführt wurde. Jan van Eyck und vielleicht auch die Frührenaissancemalerei Italiens haben hier Lochner beeinflußt.
Dr. Rolf Lauer, Kunsthistoriker

Hohe Domkirche Köln, Dombauhütte; Foto: Matz und Schenk
Mantelschließe des Verkündigungsengels

Wie kein anderer Maler des frühen 15. Jahrhunderts in Deutschland sind bei Stefan Lochner eine ausgeprägte Symbolsprache und eine außerordentlich naturalistische Wiedergabe des Heilsgeschehens miteinander verwoben. Diese Darstellungsweise wurde Stefan Lochner sicher durch den flämischen Maler Jan van Eyck vermittelt. Dessen Hauptwerk, der 1432 vollendete Genter Altar, war von Lochner offensichtlich gesehen und studiert worden. Ein schönes Beispiel ist die goldene Mantelschließe des Verkündigungsengels, die ein Bild Gottvaters zeigt. So ist die in mittelalterlichen Verkündigungsbildern oft als kleine Figur erscheinende Gestalt Gottvaters zwar versteckt, aber trotzdem wirkungsvoll, eingebracht.
Dr. Rolf Lauer, Kunsthistoriker

Hohe Domkirche Köln, Dombauhütte; Foto: Matz und Schenk
Lilienvase

Die Vase mit der Lilie, die auf der gotischen Sitzbank hinter Maria steht, ist nicht nur Schmuck, sondern hat auch symbolische Bedeutung. Auf dem Bauch steht in goldenen Buchstaben die Antwort Mariens auf die Botschaft des Engels: ecce ancilla domini (siehe ich bin die Magd des Herrn), die Lilie ist Zeichen der Reinheit Mariens. Symbol und naturalistische Wiedergabe gehen wie bei Jan van Eyck, dem Vorbild Stefan Lochners, eine untrennbare Einheit ein. Die Vase, bedeutungsgeladenes Symbol, steht gleichzeitig ganz am Rande der Bank, ja sie scheint im nächsten Moment zu kippen. Schon deshalb erregt sie die Aufmerksamkeit des Betrachters und vermittelt umso besser ihre inhaltliche Botschaft.
Dr. Rolf Lauer, Kunsthistoriker

Kopf der Verkündigungsmaria
Kopf des Verkündigungsengels
Taube des Heiligen Geistes
Mantelschließe des Verkündigungsengels
Lilienvase